Vorwort
Ästhetische Bildung und Kultur – Begriffe, Unterscheidungen, Perspektiven
1. Einiges über
»Kultur«
2. Was heißt
»ästhetisch«?
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–[V69:48] Symbole müssen in ihrem historisch-kulturellen Umfeld lokalisiert werden;
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–[V69:49] sie müssen auf die Möglichkeiten der eigenen Leiberfahrung bezogen werden können;
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–[V69:50] sie müssen vom jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen her verstanden werden.
3. Die Verschiedenheit ästhetischer Tätigkeiten und Produkte
Scheißt der Hund kei Gummibälle«
(Rühmkorf 1967, S. 94).
4. Die Vielheit der Sinne
5. Folgerungen für ästhetische Bildung/Erziehung
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–[V69:88] Der Bildungsweg muß so gedacht werden, daß er die ursprüngliche»Einheit der Sinne«, ihre elementare Sinn-Verbundenheit, allmählich ausdifferenziert in die relative Autonomie jedes einzelnen sinnlichen Mediums.
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–[V69:89] Er muß so gedacht werden, daß im Prozeß dieser Differenzierung der je besondere Eigen-Sinn des Sinnes und seines Mediums zum Bewußtsein gebracht wird.
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–[V69:90]»Zum Bewußtsein gebracht«: das soll nicht bedeuten, daß es sich dabei nur um die in rational-diskursiver Rede formulierten Interpretationsergebnisse von Kunstwerken oder anderen ästhetischen Objekten handelt; es sind auch solche Ereignisse inbegriffen, in denen sich das ästhetische Empfinden intensiviert, das Spüren nicht mehr an den äußeren Reizen haftet, sondern»unkonfrontiert«auf den»Innengrund«(Pothast) des Selbst bezogen ist und derart zum Bewußtsein kommt. Da das in diskursiv-argumentierender Rede kaum möglich ist, sondern einer eher metaphorischen Äußerungsart bedarf, und da auch der kompetente Gebrauch von Metaphern gelernt werden kann, handelt es sich um eine Frage des Bildungsprozesses.
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–[V69:91] Dieser muß überdies so gedacht werden, daß in ihm – trotz jener Differenzierungen – die mögliche Integration der verschiedenen Sinne nicht aufgegeben wird, und zwar so, daß auf je weiterer Stufe des Bildungsprozesses die Autonomie des einzelnen Sinnes gewahrt und ein Bezug zum Allgemein-Ästhetischen möglich bleibt.
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–[V69:92] Schließlich muß der»ästhesiologische«Bildungsweg des Kindes, im Hinblick auf die Genese ästhetischer Erfahrung, so gedacht werden, daß er auf die entwicklungslogisch zu durchlaufenden Schritte, zum jeweiligen Entwicklungsstand und zu den lebensweltlichen Bezügen des Kindes»paßt«, daß also die affektiven und kognitiven Komponenten der Welt- und Selbsterfahrung auf die ästhetische Dimension bezogen sind.
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–[V69:99] Auf der Objekt-Seite präsentieren sie sich als stimmige Figurationen; wir können sie, wenn wir wollen, historisch, biographisch oder entwicklungslogisch lokalisieren und dann z. B.»Fuß«oder»Flugzeug«hinzuassoziieren oder – im Falle eines historisch weiter zurückliegenden Objekts –»Madonna«,»Engel«,»Früchte«oder»Totem«zur Erläuterung verwenden; derartige Vokabeln aber verweisen gerade nicht auf das Ästhetische des Objekts. Solche Vokabeln, Assoziationen oder Konnotationen verweisen auf das Ikonographische, auf das, was auch in anderen Graphemen, der Schrift beispielsweise, in der Rede, in anderen Medien mitteilbar wäre. Irgendein Objekt»ästhetisch«lesen zu lernen, bedeutet also – freilich auf dem Hintergrund seiner gegenständlich-historischen Verortung – hinter das Geheimnis seiner eigentümlichen»Syntax«zu kommen, die Formenwelt zu verstehen, die Relationen und die Proportionalität zwischen den Teilen. Das gilt für alle Medien ästhetischer Darstellung, nicht nur für die visuellen.
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–[V69:100] Andererseits, auf der Subjekt-Seite, bedeuten die»ästhetischen«Zeichen das, was sie hervorrufen können. Dazu ist eine»mimetische«Einstellung erforderlich, eine Bereitschaft, die Gestalt-Qualitäten des Objekts zu»spüren«und jene inneren Empfindungen hervorzubringen, die dem Objekt angemessen sind.»Angemessen«darf man solche Empfindungen dann, und nur dann, nennen, wenn sie sich nicht auf individuell-psychische»Projektionen«, auf singuläre Symbolbildungen reduzieren lassen, die nur im Rahmen des einzelnen Lebenslaufs und der darin gebildeten Empfindlichkeiten für die Bedeutung von Gestalthaftem erklärbar sind.»Angemessen«sollen ästhetische Empfindungen nur dann genannt werden, wenn sie mit anderen geteilt werden können, wenn sie insofern als allgemein anerkannt werden können. Eben deshalb auch kann die Bedeutung des ästhetischen Zeichens für das innere Empfinden gelernt werden, als Element des Kulturell-Allgemeinen.