Familie und Jugendamt [Textfassung a]
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15.1. Familie und Jugendamt

15.1.1. Vorbemerkung zum Objektbereich

[053:1] Die Willensbekundungen, die unter dem Namen
Bildungsplanung
sich auf Ordnung oder Neuordnung des Bildungswesens beziehen, folgen in der Regel einer Arbeitsteilung im Hinblick auf das Erziehungswesen im ganzen, nach der nur die um die Lernform
Unterricht
gruppierten Institutionen dem Begriff des
Bildungswesens
oder
Bildungssystems
und der korrespondierenden
Bildungsforschung
zugeordnet werden. Zwar werden neuerdings auch andere Einrichtungen des Erziehungswesens zum Gegenstand von Planungsbekundungen und Forschungsabsichten, aber nur sofern sie für das Bildungswesen im engeren Sinne als Zubringer, flankierende oder ergänzende Einrichtungen bestimmt werden können: Kindergärten, Vorschuleinrichtungen, Sonderpädagogik, Beratungsinstitutionen, Weiterbildung.1
1Vgl. dazu die neuerlichen Modellversuche zur Sozialarbeit der Gesamtschule.
Wo eine solche Bestimmung nicht nahegelegt wird, bleiben zahlreiche und bedeutsame Aspekte des Erziehungswesens dem
veröffentlichten Planungsbewußtsein
noch weitgehend entzogen und wirkt sich nicht nur jene Arbeitsteilung aus, sondern in ihr auch eine Ungleichheit in den Chancen, öffentliche Aufmerksamkeit in einem für Ausbau, Veränderung und Planung relevanten Ausmaß zu erzeugen: Familienerziehung, Erziehungsmaßnahmen bei sozial abweichendem Verhalten, therapeutische Institutionen, außerschulische Jugendbildung. Dem entspricht auf der Ebene der politischen Verwaltung eine uneinheitliche Ressortierung bei verschiedenen Ministerien der Bundesländer und im Bundeskabinett ein traditionell eher einflußschwaches Ministerium.2
2Die Jugendhilfe ressortiert auf der Ebene der Landesministerien teils bei der Kultus-, teils bei der Sozialverwaltung. Die
Bewährungshilfe
, da sie eine Maßnahme nach dem JGG ist, ist bei der Justizverwaltung untergebracht. Diese Zersplitterung wiederholt sich auch auf der Ebene der Kommunalverwaltung, wenngleich hier durch die obligatorischen Jugendämter am ehesten eine konzentriertere Ressortierung gesichert ist. In der Frage der Familienpolitik liegen die Dinge noch schwieriger: Das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit hat nur in den Jugendhilfefragen eindeutig federführende Kompetenz; familienpolitische Kompetenzen verteilen sich – da sie in eine ganze Reihe gesellschaftlich-wirtschaftlicher Bereiche hineinragen – auf viele Ministerien, deren Einfluß teils wesentlich größer ist, als der des BMJFG.
Gleichwohl hat es den Anschein, als ginge die Intention des Gesetzgebers eher in die Richtung einer stärkeren Gewichtung dieses Bereichs des Erziehungswesens: Ihren Ausdruck findet diese Intention in dem verschiedentlich novel|a 320|lierten Jugendwohlfahrtgesetz mit der emphatischen Formulierung des § 1 und der Schaffung von kommunalen und Landesjugendämtern; mehr noch in dem Diskussionsentwurf eines neuen Jugendhilferechts, in das auch wesentliche Teile des Jugendgerichtgesetzes integriert wurden.3
3Daß eine auf diese Weise angestrebte Stärkung der Jugendhilfe auf durchaus politisch differente Positionen trifft, zeigt die Kritik am Diskussionsentwurf der Bundesregierung durch die bayerische Staatskanzlei.
Damit deklariert der Gesetzgeber die
Jugendhilfe
zu einem wenigstens rechtlich einheitlich scheinenden und gewichtigen Sektor des Erziehungswesens, dessen Verschränkung mit den Institutionen des Lernens durch Unterricht indessen, wie schon angedeutet, insbesondere im Zusammenhang mit den komplexeren Lenkungsproblemen in Gesamtschulsystemen, zunehmend deutlicher thematisiert wird.4
4An dieser Stelle wird die Problematik der Ressortierung noch einmal deutlich: Es gäbe durchaus gute Gründe dafür, die Jugendhilfe auf lange Sicht bei den mit dem Bildungswesen befaßten Administrationen unterzubringen. Das Bundesland Hamburg hat diese Konsequenz bereits gezogen.
[053:2] Das bedeutet, daß wir es teils im Zusammenhang mit, teils neben dem Bildungswesen im engeren Sinne, mit einer nur schlecht systematisch erfaßbaren Gruppe von Maßnahmen und Institutionen dieser Gesellschaft zu tun haben. Der Sammelname
Jugendhilfe
und die Tatsache der rechtlichen Integration in einem Gesetz täuschen leicht darüber hinweg, daß es sich, besonders unter dem Gesichtspunkt der theoretischen Erfassung und der Forschung, um eine beträchtliche heterogene Ansammlung pädagogischer Einrichtungen handelt. Dieser Sachverhalt wird noch bekräftigt durch eine Eigentümlichkeit der organisatorischen Struktur: Durch das JWG – und auch der Diskussionsentwurf der Bundesregierung zu einem JHG folgt diesem Prinzip – wird im Jugendhilfe-Bereich eine
Herrschaft der Verbände
etabliert, deren historisch-ursprüngliches Motiv zwar sich der liberalistischen Entgegensetzung von bürgerlicher Gesellschaft und Staat verdankt, durch die Ausbildung eines organisatorischen und hierarchischen Verbandsapparates gegenwärtig aber ein kompliziertes System von Koordination und Kooperation erfordert, um Jugendhilfe-Planung überhaupt möglich zu machen. Dazu gehört – in Erinnerung an den liberalistisch-bürgerlichen Ursprung pradoxerweise – daß die
betroffenen
Bevölkerungsgruppen auf der Ebene der privaten Trägerschaften grundsätzlich nicht vertreten sind. Dieser Sachverhalt und die Tatsache, daß im Hinblick auf die
Grundrichtung der Erziehung
(§ 1JWG ; § 2 Referentenentwurf JHG) die Tätigkeit von Verbänden keiner Kontrolle unterliegt (mit der Einschränkung,
sofern das Wohl des jungen Menschen hierdurch nicht gefährdet wird
), lassen einen im Vergleich zu schulischen Bildungsinstitutionen breiten Geltungs-Spielraum für die Definition von Problemlagen, die als interventionsbedürftig interpretiert werden (Peters 1968).
[053:3] Der den Trägern eingeräumten praktischen Eigenständigkeit wegen kann sich im Hinblick auf Problemdefinitionen eine prinzipiell große Vielfalt von Interventionsformen entfalten, die über nichts als eine je trägerspezifische Willensbekundung (Ideologie) zu verfügen brauchen und deren Gewichtung wiederum gegen Legiti|a 321|mationserwartungen durch die explizite Inanspruchnahme der
Grundrichtung der Erziehung
abgeschirmt werden kann.5
5Dadurch wird es möglich, daß in der aktuellen Diskussion z. B. Schularbeitszirkel, Elternbildungsarbeit oder Gemeinwesenarbeit von dem einen oder anderen Träger als naive Prioritätsforderungen, für die die Nötigung einer rational-argumentativen Begründung fehlt, erhoben werden.
[053:4] Solche Momente der praktisch-organisatorischen Struktur des Jugendhilfe-Feldes nun erzeugen ein prekäres Verhältnis zu Theorie und Wissenschaft. Definiert sich Wissenschaft in einer lediglich subsidiären Funktion, ist sie auf die Aufklärung der Zweck-Mittel-Relation innerhalb jeder der sich pluralistisch zueinander verhaltenden Träger, Einrichtungen und Initiativen verwiesen; die jeweiligen Zwecke – und damit auch die zugrunde liegenden Problemdefinitionen – würden als möglich unterstellt, die zugeordneten Mittel auf Effizienz hin untersucht. Kann sich die Wissenschaft zu einer solchen Beschränkung ihres Fragespielraums nicht entschließen, gerät sie in Konflikt mit Institutionen und Trägern: Da Jugendhilfe als
System
nicht existiert bzw. nicht betrachtet werden kann – jedenfalls in einer der Schule vergleichbaren Weise – also auch Systemelemente nicht derart vorgegeben sind, daß wenigstens die Bestimmung ihres Element-Charakters auf Konsensus hoffen könnte, bedeutet jede forschungsstrategische Entscheidung zugleich einen Eingriff in die vor gängigen normativen Orientierungen der Träger, ihre Problemdefinitionen und Institutionen. Schon das Aufwerfen dieser Frage enthält der Möglichkeit nach im Keim einen fundamentalen Konflikt zwischen Praxis und Wissenschaft: Die kritische Beschreibung der von den Trägern der Jugendhilfe je vorgenommenen Problemdefinitionen stellt deren Gültigkeit infrage und bedeutet einen Eingriff in die
definitorische Souveränität
des sich pluralistisch interpretierenden Trägers: Eine wissenschaftliche Strategie, die individualgenetische Ursachen- und Erfolgs-Forschung betreibt, tastet die Basis-Normierungen von Trägern und Einrichtungen nur in seltenen Fällen und bei sehr langfristiger und detaillierter Kontrolle der pädagogischen Verfahren an. Dagegen gerät eine Strategie, die sich eben jene Basis-Normierungen zum Forschungsgegenstand wählt, gleichsam notwendig in Konflikt mit den Institutionen der Praxis, da sie nicht die institutionellen Regeln, sondern auch Selbstverständnis und scheinbar Selbstverständliches der entsprechenden Berufspraxis infrage stellt.
[053:5] Das prekäre Verhältnis von Praxis und Wissenschaft drückt sich indessen nicht nur in den paradigmatischen Ansätzen der Forschung aus, sondern auch in der Option für inhaltliche Prioritäten in den praktischen Aufgaben der Jugendhilfe, in der Gewichtung also der einzelnen unter dem Namen Jugendhilfe zusammengefaßten Einrichtungen und Maßnahmen. Wieweit z. B. so unterschiedliche Maßnahmen wie Familienförderung, außerschulische Jugendbildung, Kindergärten oder diagnostisch-therapeutische Einrichtungen für verhaltensgestörte Kinder und Jugendliche in einer Bedeutsamkeitsreihenfolge geordnet werden können, darüber darf kein Konsensus der Praxis erwartet werden. Sowohl das JWG wie auch der Referentenentwurf zum JHG ordnen deshalb auch scheinbar gleichgewichtig die Erziehungshilfen einerseits entlang einer chronologischen Linie aufeinander folgender Altersstufen, andererseits entlang einer Verhaltens-Skala, deren Endpunkte vereinfacht als
unauffällig
und
stark auffällig
bezeichnet werden können. Indessen werden in dem durch diese beiden Dimensionen bestimmten Feld die relevanten Ereignisse klassifiziert und den solcher Klassifikation entsprechenden Interventionen unterworfen. |a 322|Das Netz von Unterstützung und Kontrolle, Diagnose und Therapie, das auf diese Weise über die
Erziehungswirklichkeit
ausgeworfen wird, ist jedoch ein selektives Instrument, das nicht nur klassifiziert, sondern aus der Gesamtheit der möglichen Fälle eine begrenzte Auswahl trifft: Mit ansteigendem Sanktionscharakter einer Maßnahme steigt der Anteil der sozial und ökonomisch schwachen Gruppen der Bevölkerung. Dieser Befund ist längst bekannt und wird nirgends ernsthaft bezweifelt. Allein wie er erklärt wird, ist hier von Interesse. Wir können mit folgenden Annahmen operieren, die jeweils sowohl spezifische Prioritäten in der Forschung wie auch verschiedene Strategien der Jugendhilfe-Praxis nahelegen:
  1. 1.
    [053:6] Die über die sozialen Schichten hin ungleiche Rekrutierung der Klienten ist eine Folge entsprechend ungleicher Verteilung von interventionsbedürftigen Verhaltensmerkmalen.
  2. 2.
    [053:7] Diese ungleiche Verteilung von Verhaltensmerkmalen ist ein Effekt sozialer Merkmalszuschreibung und den nicht institutionalisierten und gleichwohl selektiven Formen sozialer Kontrolle im Bereich primärer Lebenswelten geschuldet.
  3. 3.
    [053:8] Sie ist darüber hinaus eine Folge entsprechend ungleicher Verteilung von Maßnahmen, dergestalt, daß auf gleiche Merkmale bei Angehörigen verschiedener sozialer Gruppen ungleich reagiert wird.
  4. 4.
    [053:9] Sie ist eine Wirkung, die aus der Unangemessenheit der Erziehungsmittel jener Institutionen resultiert, also erst ein Effekt sekundärer Sozialisation.
[053:10] Die Unterschiede in den Forschungsprioritäten ergeben sich aus der Form der Annahmen: ätiologische Sozialisationsforschung (1), Analyse der sozialen Kontexte (Umfelder, Subkulturen), in denen eine primäre Klassifikation und Bewertung von Verhalten der Gruppenmitglieder vorgenommen wird (2), Analyse der Jugendhilfe-Institutionen und ihrer selektiven Wirkung (3), Analyse der sekundären Sozialisationswirkung in Einrichtungen der Jugendhilfe im Hinblick auf deren Formen der
Behandlung
(4). Die Unterschiede in der praktischen Reaktion der Jugendhilfe lassen sich folgendermaßen denken: Konzentration auf das diagnostische System (1), Konzentration auf die außer- oder vor-institutionelle Lebenswelt potentieller Klienten (2), Konzentration auf die Zuweisungsapparaturen (3), Konzentration auf die einzelne Einrichtung und deren Erfolgschancen (4). Die Annahmen (1) und (4) unterstellen, daß Jugendhilfe ein primär therapeutisches System von Maßnahmen darstellt; die Annahmen (2) und (3) unterstellen, daß es sich primär um ein Teilsystem sozialer Kontrolle handelt. Beide Gesichtspunkte schließen sich zwar faktisch nicht aus, setzen aber in den Schwerpunkten der Praxis wie der Forschung je spezifische Gewichtungen.6
6 Die Diskussionen in der Zeitschrift
Kriminologisches Journal
dokumentieren dort eine Bevorzugung des
Kontroll-Gesichtspunktes
; die Forschungsprobleme werden deshalb aus dem Kontext der soziologischen Tradition definiert; die implizierte innovative Praxis wird auf der Ebene der institutionellen Veränderungen angesiedelt. Die an der Genese individuellen Verhaltens orientierten Wissenschaften, deren Interesse auf individuelle Diagnostik und Behandlung gerichtet ist, finden in jene Diskussion kaum Eingang; Psychologie, Psychotherapie und Psychiatrie verbleiben – wie die Soziologen auch – in ihren eigenen Forschungszusammenhängen und den darin implizierten Praxisfolgen: weniger Veränderung der Institution als vielmehr der auf das Individuum gerichteten Behandlungsmethoden. Ein Durchbrechen solcher
Ressortierungen
finden wir nur selten, z. B. in den Veröffentlichungen H. E.Richters oder St. Quensels.
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15.1.2. Zur forschungsstrategischen Situation

[053:11] Daß es sich bei der Behauptung jener Dichotomie von diagnostisch-therapeutischer und kontroll-orientierter Forschung in der Tat um eine theoretische Abstraktion von Forschungspraxis und nicht um einen neuen Gesichtspunkt handelt, erhellt aus der Vergegenwärtigung dieser Praxis selbst. In den letzten Jahren ist auch im Jugendhilfe-Bereich einerseits die Sozialisationsforschung beträchtlich angestiegen; das gilt nicht nur für die breitere Rezeption der anglo-amerikanischen Delinquenz- und Deprivations-Forschung, sondern auch für deutsche Untersuchungen, in denen das Sozialisationsschicksal einzelner Probandengruppen (jugendliche Straftäter, Heiminsassen, Problemfamilien) rekonstruiert oder die sekundäre Sozialisationswirkung von Institutionen (Jugendstrafanstalten, Erziehungsheime, Bewährungshilfe) zum Gegenstand der Untersuchung gemacht wurde;7
7Vgl. dazu die im Literaturverzeichnis aufgeführten Veröffentlichungen z. B. von Pongratz/Hübner (1959), Pongratz (1964), Hofmann (1967), Iben (1967), Simonsohn (1969), Moser (1970).
sogenannte
Vollzugsprobleme
, d. h. also alle
Treatment-Variablen
, gewannen und gewinnen noch immer stärkere Aufmerksamkeit. Andererseits, wenngleich mit einer gewissen Verzögerung, gewann eine Forschungspraxis an Bedeutung, die nicht den Vorgängen individueller Genese, auch nicht den therapeutischen Chancen, sondern vielmehr den institutionellen Prozeduren nachspürt, denen Individuen unterworfen werden;8
8Vgl. hierzu besonders die Diskussion, die im
Kriminologischen Journal
in den letzten Jahren geführt wurde; ferner Bonstedt (1972), Brusten/Hurrelmann (1973), Quensel (1970), Sack (1968). Dieses Problem wird übrigens ausführlich in dem Gutachten von H. Thiersch in diesem Band erörtert.
die oben erwähnten und von den Institutionen (bzw. Trägern) je vorgenommenen Problemdefinitionen werden hier mit Hilfe der Annahme untersucht, daß sie sich in Merkmalzuschreibungen manifestieren, die die Institutionen mit den Probanden vornehmen. Da dieser Vorgang scheinbar am ehesten in solchen Fällen studiert werden kann, in denen das Kontrollinteresse der Interventionsinstanz offen zu Tage liegt, hat sich der entsprechende Forschungshöhepunkt vor allem im Bereich der soziologischen Kriminologie ausgebildet.
[053:12] Es wäre indessen wenig ergiebig, diese Forschungsalternative so zu interpretieren, als handle es sich um zwei Gesichtspunkte, die sich zwar auf das gleiche Praxisfeld beziehen, hier indessen aber je nur besondere Schwerpunkte in der Wahl des Forschungsgegenstandes setzen. Das aufgeworfene Problem nämlich läßt sich an jedem beliebigen Ereignis im Zusammenhang der Jugendhilfe-Forschung demonstrieren, beide Gesichtspunkte auf jeden Jugendhilfeakt anwenden. Jeder Akt der Zuwendung einer Jugendhilfe-Einrichtung zu einer Person oder einer Gruppe ist notwendig ein Akt der Interpretation sozialer Ereignisse,9
9Daß in der Tat jeder institutionelle Akt notwendig solche Interpretation impliziert, wird schwer zu leugnen sein; indessen ist doch die Frage sinnvoll, ob damit auch schon die Annahme eines vor den Prozessen der Zuschreibung liegenden individual-psychischen Sachverhaltes, der sich in sozialem Verhalten manifestiert, verworfen werden darf. Interpretiert wird allemal
etwas
, für das es mehrere Interpretationsmöglichkeiten gibt. Die Konzentration der Forschung auf Fragen der Interpretation sozialer Ereignisse darf nicht dazu führen, das, was Gegenstand solcher Interpretation ist, aus dem Kreis der relevanten Forschungsfragen schlechterdings auszuschließen. Vgl. zu diesem Problem die zwischen Sack und Opp geführte Kontroverse im Kriminologischen Journal (1972).
oder genauer noch: ist ein Akt, |a 324|in dem individuelle Ereignisse als soziale definiert werden, und zwar dadurch, daß ihre Bedeutung festgelegt, ihre relevanten Merkmale klassifiziert und die klassifikationsadäquaten Interaktionen nahegelegt werden, und zwar unter der Bedingung ungleicher Machtverteilung unter den
Partnern
. Die damit unterstellte Struktur der Beziehung zwischen Institution und Klient ist die gleiche, die in der Theorie des symbolischen Interaktionismus als
identity bargaining
bezeichnet wird. Nehmen wir den Fall, daß ein Sozialarbeiter im, Auftrag eines kommunalen Jugend- oder Sozial-Amtes einen Hausbesuch bei einer in noch sehr vager Bestimmung
problematischen
Familie macht, dann können – ausgehend vom Interesse an der Funktionsweise von Institutionen gegenüber potentiell
hilfsbedürftigen
Personen – mindestens die folgenden Komponenten der Situation als theoretische Kategorien abstrahiert werden:
  1. 1.
    [053:13] Der Zustand der Familie als eines für die Mitglieder bedeutungsvollen Systems von Wertorientierungen, Inhalten, Interessen und Verhaltensweisen;
  2. 2.
    [053:14] Der Zustand des Sozialarbeiters als eines Agenten, dessen Rolle durch die Institution (Jugend- oder Sozialamt) definiert ist und der infolgedessen in seiner Ermittlung bestimmten Regeln folgt;
  3. 3.
    [053:15] Die Klassifikation von Ereignissen, die ein Teil jener Regeln sind und nicht nur eine deskriptive, sondern auch eine erklärende Ordnung der Ereignisse vornehmen und zum Handlungsrepertoire des Sozialarbeiters gehören;
  4. 4.
    [053:16] Die beiderseitigen interpersonellen Taktiken, die zur Explikation von Bedeutungen und Intentionen sowie zur Beeinflussung der Situation verwendet werden;
  5. 5.
    [053:17] Die situationsspezifischen Deutungsmuster, die auf beiden Seiten zur Verfügung stehen.
[053:18] Der unter solchen Umständen zu erwartende Prozeß kann hypothetisch in folgenden Annahmen formuliert werden
(H. Becker, 1963)
:
  1. (1)
    [053:19]
    Wenn soziale Gruppen oder Personen soziale Normen entwickeln, die Situationen und Verhaltensweisen definieren, in denen einige Handlungsweisen als richtig, andere als falsch bezeichnet werden,
  2. (2)
    [053:20]
    wenn sie diese Werte und Normen gegen andere soziale Gruppen und Personen, die nicht ihre Werte und Normen teilen, aufgrund der zu ihren Gunsten ausfallenden Machtdifferenzen erfolgreich durchsetzen,
  3. (3)
    [053:21]
    wenn die in diesem Prozeß unterlegenen Gruppen und Personen sich in ihrem weiteren Verhalten nicht an den durchgesetzten Werten und Normen orientieren …
  4. (4)
    [053:22]
    wenn darauf Gruppen oder Personen, die ihr durchgesetztes Interesse verletzt sehen und gewahrt wissen wollen, reagieren, indem sie öffentlich auf dieses oder nur ein vermeintliches Verhalten hinweisen,
[053:23]
dann wird ein Verhalten als
abweichend
etikettiert
und die Person oder Gruppe einer entsprechenden Abfolge von Prozeduren unterworfen mit dem Zweck, die Verhaltensauffälligkeit zu minimieren oder wenigstens unter Kontrolle zu halten (W. Springer, 1973, S. 30 f.) möglichst aber noch sich dem Normensystem, aus dem die Wertung entspringt, anzupassen.
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[053:24] Die Forschungslage ist nun dadurch gekennzeichnet, daß jener Satz von Hypothesen zwar in der Kritik nur ätiologisch verfahrender Forschungspraxis, besonders aber angesichts der relativen Vergeblichkeit therapeutischer Bemühungen, als wenigstens plausible forschungsleitende Annahmen sich darstellen kann, selbst aber noch kaum einer empirischen Bewährungsprobe unterworfen wurde. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß die gebräuchlichen Instrumente quantitativer Messung und Datenverarbeitung noch zu grob sind, andererseits die Unterstützung so orientierter Forschung durch die Träger von Einrichtungen weniger wahrscheinlich ist, da – wie schon hervorgehoben – die Ursachen für interventionsbedürftige Problemlagen nicht nur in den Klienten-Gruppen, sondern ebenso in den Interventionsinstanzen hypothetisch unterstellt werden.

15.1.3. Interaktion von Familie und Jugendamt

[053:25] Unterstellt man, daß für die größte Zahl der Vorgänge der Jugendhilfe gilt, daß sie durch die kommunale Jugendhilfe-Administration eingeleitet werden und daß außerdem gilt, daß in der größten Zahl der Fälle der zeitlich erste Adressat eine
auffällig
gewordene Familie oder doch wenigstens eine Person als Mitglied einer Familie ist, dann liegt es nahe, Familie und Jugendamt als diejenigen Instanzen zu bestimmen, die eine besonders bedeutsame, wenn nicht gar die wichtigste Klasse von Ereignissen im Feld der Jugendhilfe konstituieren. Hier – wie z. B. auch im Falle kompensatorischer Elementarbildung (vgl. dazu das Gutachten von H. Ortmann) – handelt es sich darum, daß der kontrollierende Eingriff einer Institution in die primären Lebenswelten durch vermutete oder diagnostizierte Abweichungen (oder antizipierte Abweichungen) von einem mehr oder weniger präzisierten Normalitäts-Index veranlaßt wird. Die institutionelle Reaktion, von der wir vermuten, daß sie ihren Handlungsnormen und nicht denen der primären Lebenswelten des Klienten folgt, spielt sich in typischen Mustern ab, die im Verlauf der Geschichte von Jugendhilfe und Sozialarbeit entstanden sind. Hansen und Hill haben eine logische Klassifikation solcher Muster versucht; sie vermuten, daß die Handlungsmuster der community vor allem von den Merkmalsausprägungen in zwei Dimensionen abhängig sind;
  1. 1.
    [053:26] Auffällige Ereignisse können, neben anderen Alternativen, danach unterschieden werden, ob sie von der intervenierenden Instanz (Nachbarn, Erziehungsberatung, Jugendamt, Jugendgericht usw.) akzeptiert werden oder nicht. Die Wahrscheinlichkeit des Akzeptierens steigt in dem Maße, in dem die Intervention sich die Orientierung der Betroffenen zu eigen macht, d. h. den in der primären Lebenswelt vorgenommenen Situationsdefinitionen folgt.
  2. 2.
    [053:27] Auffällige Ereignisse können ferner danach unterschieden werden, wie weit sie eher positionale, d. h. an Rollen und Institutionen und deren Klassifikationen gebundene, oder personale, d. h. institutionsunabhängige Reaktionen zur Folge haben. Je nachdem, ob die positionale oder personale Bewertung ausschlaggebend ist, werden unterschiedliche Entscheidungen getroffen.
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[053:28] Die Kombination dieser beiden Dimensionen erlaubt die Konstruktion von vier typischen Handlungsmustern:
  1. 1.
    [053:29] Die Reaktion ist auf der positionalen und der personalen Ebene durch das Akzeptieren der Klienten-Probleme bestimmt (Beispiel: Der Sozialarbeiter unterstützt eine Elterninitiative für die Kinder berufstätiger Mütter);
  2. 2.
    [053:30] Die Reaktion ist auf der positionalen Ebene durch Akzeptieren, auf der personalen dagegen durch Ablehnen oder Ignorieren bestimmt (Beispiel: Hilfen bei unehelicher Geburt; Drogentherapie)
  3. 3.
    [053:31] Die Reaktion ist auf der positionalen Ebene durch Ablehnung, auf der personalen Ebene aber durch Akzeptieren bestimmt (Androhung von Heimeinweisung eines Kindes gegen den Willen der Eltern);
  4. 4.
    [053:32] Die Reaktion ist auf der positionalen und personalen Ebene durch Ablehnung bestimmt (Beispiel: institutionelle und persönliche Diskriminierung von sogenannten Obdachlosen-Familien)ø
[053:33] Peters (1968) hat das gleiche Kriterium (Akzeptieren versus Ablehnen) angewandt, allerdings aus der Perspektive des Klienten: Wird eine Hilfeleistung von einem Klienten gewünscht, d. h. ist er selbst in der Definition des Problems, das er gelöst sehen möchte, souverän, dann nennt Peters das Interventionsmuster
restitutiv
; geht dagegen sowohl die Problemdefinition wie auch die Intervention von der Institution aus, wird das Muster
repressiv
genannt.
[053:34] Das damit aufgeworfene Problem verdeutlicht nun auch den Zusammenhang zwischen Jugend- und Sozialhilfe einerseits und dem Bildungswesen andererseits: Problemdefinitionen, d. h. die Bestimmung interventionsbedürftiger Ereignisse im Leben von Personen und Gruppen, betreffen – mindestens im Fall von Familien – die Lernprozesse der Heranwachsenden. Diese Perspektiven stehen allemal unter dem Eindruck normativer Erwartungen, sei es von Seiten der primären Lebenswelt, sei es von seiten der Bildungs- und Jugendhilfe-Institutionen. Wird die Jugendhilfe im Verhältnis zum Bildungswesen als subsidiär bestimmt, d. h. als ein System von Interventionen, durch welches die Bedingungen verbessert werden sollen, um Bildungskarrieren den dominanten Erwartungen anzugleichen, dann ist die Tätigkeit der Jugendhilfe im Hinblick auf die Bildungsinstitutionen zwar
restitutiv
, den Klienten gegenüber aber der Möglichkeit nach
repressiv
: Die Entscheidung darüber liegt bei der Struktur der Beziehung zwischen Bildungseinrichtung und ihrer
Klientel
.
[053:35] Solcherart Mehrdeutigkeit hängt also an den Koalitionen, die die pädagogischen Einrichtungen untereinander oder mit ihrem
Klientel
eingehen. Es darf vermutet werden, daß diese Probleme sowohl augenfälliger wie auch gravierender werden in dem Maße, in dem Gesamtschulsysteme häufiger werden: Je häufiger und besser Lern- und Verhaltensstörungen im schulischen Bildungs-Kontext diagnostiziert werden können und mithin auch Probleme des sozialen Lernens ein curriculares Thema sind – und das wird vermutlich um so mehr der Fall sein, je nachdrücklicher das Prinzip der Förderung nicht dem Prinzip der Selektion geopfert wird – um so wichtiger werden die Aufgaben einer Schulsozialarbeit oder Sozialpädagogik in der Schule. Funktion und Bedeutung der Schulsozialarbeit werden davon abhängen, |a 327|welche Koalitionen in dem Dreieck Jugendamt – Schule – Schüler (bzw. deren primäre Lebenswelt) in den Vordergrund treten.
[053:36] Koalitionsprobleme (und damit die erwähnte Bedeutungsambivalenz) entstehen aber desgleichen auf der Ebene der
Klienten
selbst. Die Entscheidung über
restitutive
oder
repressive
Funktion von Jugendhilfemaßnahmen wird auch in interpersonellen Beziehungen getroffen, die die Lebenswelt der
Klientel
bestimmen: Eine Jugendhilfe-Maßnahme im Hinblick auf ein Kind oder einen Jugendlichen gewinnt ihre konkrete Bedeutung dadurch, daß auch diese und ihre Eltern bestimmte Koalitionen miteinander oder gegeneinander eingehen. Die Kompliziertheit der Interaktion zwischen Jugendamt und Familie hat hier eines ihrer entscheidenden Momente, was allerdings erst in der familien- oder gruppentherapeutisch orientierten Beratung deutlich gesehen wird10
10Vgl. dazu besonders die Veröffentlichungen von H. E. Richter (1967) und (1970).
.
[053:37] Ein Aspekt dieser Problematik ist die Erwartung der Klienten gegenüber der Jugendhilfe: Obwohl die Jugendhilfe-Einrichtungen ihre Tätigkeit selbst als
helfende
, als die Klienten
unterstützende
und darin eben vorwiegend restitutive zu definieren trachten, werden sie doch vom Klientel als vorwiegend kontrollierende und in ihrer tatsächlichen Funktion mindestens schwer durchschaubare wahrgenommen: die Erwartungen des Klientel schwanken deshalb auch zwischen dem Wunsch nach Beratung und persönlicher Unterstützung in problematischen Situationen einerseits und dem Wunsch nach einer nur administrativ-technischen Versorgung andererseits. Als biographische Längsschnitte aufgebaute Fallanalysen (exemplarisch: Bonstedt 1972) zeigen nun, wie im Prozeß des
Aushandelns
von Maßnahmen zwischen Jugendamt und Klienten allmählich Erwartungen der ersten Art verschwinden und das sozialpädagogische Handeln im Interaktionsfeld dominierend bis ausschließlich durch die administrative und
repressive
Rollenbeziehung strukturiert wird. Die Bildungseinrichtungen (Schule) spielen in diesem Zusammenhang eine eher problemverschärfende Rolle: Im Hinblick auf die Jugendhilfe-Institutionen (Jugendamt) treten sie als Informanten über interventionsbedürftige Auffälligkeiten (Schulschwänzen, Verhaltensstörungen usw.) auf, gegenüber dem Klientel als die Kontrollinstanz, die über die Einhaltung von Mindestnormen institutionalisierten Verhaltens wacht. Die betroffene Familie nimmt also, das ist unsere Hypothese, die Gesamtheit der pädagogischen Institutionen als Instanzen wahr, die die Einhaltung von Normen kontrollieren, und zwar solcher Normen, in denen die Beziehungen zwischen Familie und Öffentlichkeit geregelt sind. Unter solchen Bedingungen ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß die Familie die Intervention der Jugendhilfe als peripher wahrnimmt. Ihre eigenen Problemdefinitionen und die Interventionsgründe der Institutionen sind nicht kongruent. In dieser bisher nur durch vorwiegend qualitative Studien belegten Ausgangsvermutung sind drei thematische Akzente für die Jugendhilfeforschung gesetzt:
  1. 1.
    [053:38] Die Ausübung sozialer Kontroll-Funktionen der Jugendhilfe ist nur möglich, nur
    effektiv
    dadurch, daß Institutionen und Klienten in einer – wie auch immer verschwiegenen – Machtbeziehung zueinander stehen. Die Institutionen bedienen sich |a 328|eines Systems von Klassifikationen
    relevanter sozialer Ereignisse
    , in denen definiert ist, aus welchen Anlässen Interventionen geboten sind; sie bedienen sich außerdem eines Systems
    theoretischer
    Klassifikationen, in dem definiert ist, mit welchen Mitteln die Intervention vorgenommen werden soll, und d. h. wie die klassifizierten Ereignisse
    erklärt
    werden können. Also nicht nur Symptome und Anlässe für Interventionen, sondern auch Ursachen für jene stehen der intervenierenden Instanz als
    Handlungswissen
    zur Verfügung. Sie werden darin durch eine Forschungspraxis unterstützt, die sich ihrerseits jenen Klassifikationen anschließt. Daraus folgt die Annahme, daß der Typus sozialer Verwendungssituationen für das so erzeugte Wissen, der den Forschungsstrategien immanent ist, Situationen sozialer Kontrolle sind (vgl. dazu die seit ca. drei Jahren im Arbeitskreis junger Kriminologen geführte Diskussion. Die in der Sozialisations- und Erziehungsstil-Forschung gebräuchliche Dimension
    control versus autonomy
    , die dort zur Beschreibung von Interaktionsmustern zwischen Erwachsenen und Kindern verwendet wird, wäre sinngemäß auf diese Forschung selbst anzuwenden). Die Jugendhilfeinstitutionen haben durch die hierarchische Staffelung der einschlägigen Rechtsinstitute die Möglichkeit, ihre Klassifikation gegenüber den Klienten durchzusetzen. Selbst wenn sie davon keinen Gebrauch machen sollten, bleibt doch die drohende Möglichkeit der Sanktionen (Überweisung in Sonderschulen, Heimeinweisungen, Sorgerechtentzug, strafrechtliche Verfolgung usw.) ein Mittel, den offenen oder verdeckten Herrschaftsanspruch geltend zu machen.
  2. 2.
    [053:39]
    In einer pointierten Formulierung ließe sich zu diesem Sachverhalt sagen, daß das Verhältnis zwischen Jugendhilfe-Institutionen und ihrer Klientel, insbesondere der in der Familie gegebenen primären Lebenswelt,
    kolonialistisch
    ist. Die Relevanz-Kriterien der dominierenden Kultur werden der sozial schwachen Gruppe imputiert, ohne Rücksicht darauf, daß die verwendeten Normalitäts-Indizes theoretisch problematisch sein mögen. Ein solches Verfahren ist gewiß – gemessen an den Zielen der Institution – praktisch zweckmäßig: es unterstützt die geltenden kulturellen und gesellschaftlichen Standards. Das aber kann keine zwingende Legitimierung von Erkenntnis-Strategien sein: Es gibt für die Forschungspraxis keinen wirklich triftigen Grund, sich gegenüber der Jugendhilfeklientel nicht
    ethnomethodologisch
    (Garfinkel) zu verhalten, d. h. nach den Relevanzkriterien, Problem-Definitionen und Klassifikationen zu fragen, die in der primären Lebenswelt der betroffenen sozialen Subgruppe Geltung haben. Die Familien- und Sozialisationsforschung des gegenwärtig noch vorherrschenden Typs gewinnt ihre Fragestellung allerdings auf anderen Wegen: Sie orientiert sich
    • an den normativen Standards des Bildungswesens (Aufklärung von IQ-Varianzen, Differenzen im Leistungsverhalten, Differenzen im Problemlösungsverhalten angesichts von Problemen, die im Kontext von Bildungskarrieren auftauchen usw.),
    • an den Disponibilitäts-Standards der entwickelten Industriegesellschaft (Dominanz, Verhältnisse in der Familie, Rollentrennung im Ehe-Subsystem, pathologische Kommunikationsstruktur in der Familie, Privatisierung versus Integration des familiären Lebensraumes, Erwerbstätigkeit der Frau usw.),
    • |a 329|
    • an den Standards der Rechtsnormen, die
      intakte Familie
      betreffend (Vollständigkeit/Unvollständigkeit der Familie, deviante Familie, Stabilität der Familie usw.).
    Selbst ein so differenziertes und dem Programm nach an den Problemen der Klienten orientiertes Projekt wie die St. Paul Studie (Birke 1971) verwendet im Hinblick auf Problemfamilien mit dem Begriff der
    Adäquatheit
    den Stabilisierungsinteressen des dominanten kulturellen Systems entnommen sind. Der zweite theoretische Akzent betrifft deshalb die Erforschung der primären Lebenswelt, wie sie sich in Familien und ihrer subkulturellen Einbettung darstellen.
  3. 3.
    [053:40]
    Folgt man diesen beiden Akzentsetzungen und den in ihnen enthaltenen methodologischen Hypothesen, dann läßt sich ein dritter Forschungsschwerpunkt folgern, der sich nun ausdrücklich die Beziehungen zwischen Jugendhilfeadministration und der
    Problem
    -erzeugenden Lebenswelt zum Gegenstand macht. Diese Lebenswelt ist im Beispiel der Familie am ehesten faßbar; sie darf zudem gegenwärtig immer noch als die einflußkräftigste Sozialisationsagentur gelten. Jugendhilfe-Maßnahmen werden immer dann aktuell, wenn Ereignisse drohen oder bereits eingetreten sind, die die kontrollierenden Instanzen vermuten lassen, daß die im familiären System auftretenden Probleme und die dort versuchten Problemlösungen nicht den Standard-Klassifikationen und ihren Bewertungen entsprechen. Tritt ein solcher Fall ein, dann wird für die Familie ein neues Interaktionsfeld etabliert, dessen thematischer Inhalt das Problem der Abweichung ist. Die Berufsrolle des Sozialarbeiters ist u. a. in diesem Kontext definiert: Er hat die Aufgabe einer Applikation der im Jugendhilfesystem institutionalisierten Klassifikationen auf den besonderen Fall einer primären Lebenswelt zu bewältigen. Cicourel (1968) hat in qualitativen Analysen der Protokolle von Gesprächen von Sozialarbeitern und Klienten zeigen können, daß dieser abstrakt formulierten These realer Gehalt innewohnt: Er hat gezeigt, daß im Gesprächsverlauf immer zweierlei zu bemerken ist:
    1. 1.
      Sozialarbeiter und Klient folgen zunächst je besonderen und nicht zur Deckung zu bringenden Regeln der Definition von Situation, Problemen und Problemlösungen;
    2. 2.
      Im Verlauf des Gesprächs, das als ein Aushandeln derjenigen Definitionen, die Geltung haben sollen, interpretiert werden kann, setzt sich die Definition des Sozialarbeiters als die des gesellschaftlich Mächtigeren durch, so daß das Ende den Anschein eines hergestellten Konsenses über geltende Regeln erweckt.
    Der so beschriebene Typus sozialen Handelns – die Kriminologie hat inzwischen daraus weitreichende Konsequenzen für Forschungsstrategie und Forschungspraxis gezogen – ist indessen hier nur in einem besonders pointierten Fall dargestellt. Der angesprochene Konflikt zwischen primärer Lebenswelt und institutionalisiertem Herrschaftshandeln – so unterstellen wir – ist allgemein überall dort, wo die
    Sozialwelt
    sich in Hierarchien staffelt, die durch unterschiedliche Anteile an Lebens- und Beteiligungschancen näher bestimmt werden können. Kapitalistische Gesellschaften erzeugen eine Variante dieser Struktur. Die Familie – solange sie noch als Raum primärer Selbst- und Welterfahrung genommen werden darf – steht grund|a 330|sätzlich in Differenz zu den gesellschaftlich institutionalisierten und organisierten Erwartungen, jedenfalls dort, wo sie noch nicht solche Erwartungen zur innerfamiliaren Kommunikationsregel ritualisiert hat.

15.1.4. Zur Lage der Familienforschung

[053:41] Die Familienforschung hat nun – besonders in ihren pädagogischen Aspekten – seit einiger Zeit eine neue Belebung erfahren. Die Gründe, dafür sind vermutlich nicht zuletzt – jedenfalls im sozialpädagogischen Bereich – darin zu suchen, daß die oben skizzierten Fragestellungen nicht nur im Kontext wissenschaftlicher Auseinandersetzungen entwickelt, sondern auch von Praktikern aufgeworfen wurden, die besonders in sozialpädagogischen Brennpunkten sich um eine Reorganisation der Jugendhilfe-Praxis bemühen. Dieser praktische Kontext ist vor allem durch die folgenden drei Akzente bestimmt:
  1. 1.
    [053:42] Die Anfänge der
    Gemeinwesenarbeit
    in der BRD lenken den Blick nicht nur auf das Wohnquartier als die
    soziale Einheit
    , mit der Jugendhilfe zu tun hat, sondern damit auch auf die Familie als eines der Elemente, dem bei den Versuchen, Beteiligung zu erhöhen, Apathie zu überwinden, Privatismus zu durchbrechen eine Schlüssel-Funktion zukommt (Müller/Nimmermann 1971).
  2. 2.
    [053:43] Die Arbeit von Projektgruppen in Obdachlosenquartieren weisen, wenngleich für eine Extremgruppe, auf den unauflöslichen Zusammenhang zwischen materiellen Bedingungen, familiärer Kommunikation und Lern- und Lebensperspektiven der Kinder hin. Zumal konnte gerade sie die Differenz zwischen administrativen Steuerungsinteressen und primärem Lebensraum deutlich machen (Aich/Bujard 1972, Haag 1971, Iben 1971).
  3. 3.
    [053:44] Die Kinderladen-
    Bewegung
    und die Entstehung von Wohngemeinschaften, obzwar sich aus Angehörigen der akademischen Mittelschicht rekrutierend, machte das Problem der
    Gruppengrenze
    der Familie zum praktischen Thema (vgl. Cyprian/Wurzbacher 1973).
[053:45] Parallel zu diesen praktischen Ereignissen setzte auch die Familienforschung neue Akzente, obwohl sie jedoch großenteils noch älteren Fragestellungen verpflichtet ist. Versucht man, die gegenwärtige Forschungspraxis, wo sie pädagogisch relevante Fragen aufwirft, zu klassifizieren, dann ist eine Ordnung nach folgenden Forschungsschwerpunkten plausibel:
  1. 1.
    [053:46] Nach wie vor sind besonders in der soziologischen Forschungspraxis die am funktionalistischen Modell orientierten Untersuchungen sowohl der Zahl wie auch den Ergebnissen nach beträchtlich. Trotz erheblicher Themenvielfalt läßt sich die Fragestellung auf einen Nenner bringen: Forschungsgegenstand ist die Familie, sofern ihre Strukturmerkmale sich auf definierte Funktionen im gesellschaftlichen Kontext beziehen lassen. Das ist vor allem der Fall bei der Einübung von sozialen Grundrollen, der generativen Funktion, der Integration in das System der Arbeitsteilung, der Reproduktion sozialer Beziehungsmuster und Ungleichheiten. Konkret drückt sich diese Orientierung in Untersuchungen zur Geschlechtsrollendifferenzierung, zur Fa|a 331|milien- und Haushaltsgröße, zur Berufstätigkeit von Frauen (in unserem Fall besonders von Müttern), zu Fragen der Schichtspezifität von Familienstrukturen, zur Autoritätsproblematik u. ä. aus. In jenem oben schon zitierten Begriff der
    Adäquatheit
    des Funktionierens familiären Rollenverhaltens ist diese Forschungsrichtung mit der Jugendhilfe am Beispiel von Problemfamilien verknüpft worden.
  2. 2.
    [053:47] Zum Umkreis der Familienforschung müssen wir auch jene Untersuchungen rechnen, die sich explizit der innerfamiliaren Sozialisation (Primärsozialisation) zuwenden. Die Literatur zu dieser Frage ist uferlos geworden, nicht zuletzt der nur schwer noch beurteilbaren Sekundärliteratur wegen. In der Form ihrer Fragestellungen schließt sie sich in der Regel, wenngleich nicht immer ausdrücklich, an den funktionalistischen Ansatz an: Ihre Ausgangsfragen orientieren sich an den institutionalisierten Verhaltenserwartungen (Leistungsmotive, Aspirationsniveau, Sprachstile, Selbständigkeit, kognitive Fähigkeiten, soziales Verhalten usw.), den
    Steuerungsinteressen
    der dominanten Institutionen. Dieser Ausgangspunkt hat eine Forschungsstrategie zur Folge, die in ihrem Effekt
    individualätiologisch
    genannt werden kann: Die Problemstellung ergibt sich aus der Diskrepanz zwischen normativer Erwartung und tatsächlichem Verhalten von Individuen oder Gruppen. Das Nicht- Erreichen der Norm soll erklärt werden. Die
    Ursachen
    werden im Sozialisationsmilieu aufgesucht und – wenngleich auch für größere soziale Gruppen in vergleichbarer Situation konstatierbar – als prognosefähige Daten für individuelles Verhalten interpretiert. Im Bereich der Jugendhilfe herrscht dieser Forschungstyp gegenwärtig nahezu ausschließlich:
    Familienforschung
    ist hier in der Regel identisch mit der Suche nach Sozialisationsmerkmalen, die es erlauben,
    abweichendes
    Verhalten vorherzusagen. Die entsprechenden Studien über Pflegefamilien (Blandow 1972), Obdachlose (Iben 1971), Berufstätigkeit von Müttern (Lehr), frühe Mutter-Kind-Trennung (Lehr 1973 , Schmalohr 1973), u. ä. verfolgen, trotz z. T. kontroverser Interpretationen, keinen anderen Zweck. Gestützt wird diese Ausrichtung noch durch eine gerade im sozialpädagogischen Bereich nicht geringe Verbreitung von Theoremen der psychoanalytischen Entwicklungstheorie 11
    11Vgl. dazu besonders die Veröffentlichungen vonBittner, Simonsohn, Künzel,Moser und die im Bereich der Sozialpädagogik sehr einflußreich gewordenen Arbeiten von Bettelheim und Spitz.
  3. 3.
    [053:48] Ein dritter Forschungsschwerpunkt folgt dem systemtheoretischen Paradigma. Er unterscheidet sich vom funktionalistischen Ansatz – trotz mancher Ähnlichkeiten – vor allem darin, daß in ihm weniger nach den externen Funktionen der Familie als vielmehr nach dem inneren Zusammenhang der Systemelemente, nach deren Funktion im Hinblick auf das von der Familie definierte Gleichgewichts-Niveau gefragt wird. Charakteristisch für diese Forschungspraxis ist, jedenfalls gegenwärtig noch, eine eigentümliche Wendung der Methode: wir können sie als eine Form
    klinischer Sozialforschung
    bezeichnen, in der das analytische Instrumentarium sich vorerst in der Entschlüsselung von Einzelfällen bewähren soll. Wird das familiäre Gleichgewicht gestört – sei es durch äußere Belastung, sei es durch Ehekonflikte, Organschäden von Familienmitgliedern, durch institutionelle Eingriffe in die Familie – dann, so wird unterstellt, treten Verschiebungen, Veränderungen, Umdefi|a 332|nitionen von Beziehungen ein, die den Zweck haben, das Gleichgewicht wiederherzustellen, entweder im Sinne einer realistischen Neu-Äquilibrierung, oder im Sinne eines Pseudogleichgewichts, das den Familienmitgliedern erlaubt, ihr System als funktionstüchtig wenigstens zu erleben.
    Pseudogemeinschaft
    , Gruppengrenze als beliebig dehnbarer
    Gummizaun
    oder auch die
    Sündenbock-Strategie
    (Bateson u. a. 1969, Bell/Vogel 1969) sind Kategorien, mit deren Hilfe jenes von der Familie definierte Gleichgewichtsniveau begrifflich erfaßt werden soll. Unter den Elementen der familiären Kommunikation ist besonders die
    double-bind
    -Situation diskutiert worden, erzeugt durch eine interpersonelle Kommunikationstaktik, mit der zwischenmenschliche Beziehungen zwar für den überlegenen Partner (Elternteil) scheinbar im Sinne des familiären Gleichgewichts adäquat bewältigt werden, indessen aber auf Kosten schwerwiegender Orientierungsprobleme des abhängigen Partners (Kind). Beobachtungen und kategoriale Erprobungen dieser Art haben Watzlawick (1969) veranlaßt, eine am Systemansatz orientierte
    Theorie menschlicher Kommunikation
    zu entwickeln, die als eine Systemtheorie familiärer Pathologien gelten kann. Die dort im Interesse an einer Universalpragmatik zusammengenommenen Elemente aus soziologischer Rollentheorie, psychoanalytischer Theorie, Theorie symbolischer Interaktion und Informationstheorie scheinen geeignet, gerade im Zusammenhang der Jugendhilfe auftretende Probleme der Analyse von Familien mit problematischen Sozialisationsmilieus zu klären, und zwar ohne sich den institutionalisierten Problemklassifikationen kritiklos anzuschließen. Das normative Bezugssystem ist hier nicht der historische Stand institutionalisierter Erwartungen, sondern die Reziprozität und Reflektiertheit der kommunikativen Beziehungen. Der darin unterstellte Normalitäts-Begriff ist zwar formal, da er auf inhaltlich bestimmte Intentionen als Gegenstand der Analyse verzichtet. Er ist aber
    kritisch
    insofern, als er ein Maß für
    Adäquatheit
    eines sozialen Teilsystems angibt, das nicht dem faktisch gegebenen gesellschaftlichen Zusammenhang entnommen ist, sondern diesen gerade kontrafaktisch mit der Idee
    störungsfreier
    Kommunikation vergleicht.
  4. 4.
    [053:49] An dieser Stelle hat ein Forschungsparadigma seinen ausdrücklichen Ort, das die primäre Sinn-Orientierung der zu untersuchenden Subjekte sich zum Thema macht: die
    Deutungen, mit denen die Mitglieder eines Systems einander als Angehörige derselben Gruppe identifizieren und über die Gruppenidentität ihre Ich-Identität behaupten
    (Habermas 1973, S. 13)
    . In der Ausgangsthese dieses Paradigmas wird behauptet, daß die
    Angemessenheit
    einer Forschungsstrategie nicht nur im Hinblick darauf geprüft werden muß, ob der in der Methode konstruierte Gegenstand auch wirklich zureichend erfaßt wird, sondern auch daraufhin, ob der
    Gegenstand
    so
    wie er sich selbst sieht
    , das, was er als Part in einem real gegebenen kommunikativen Netzwerk
    ist
    , zum Thema wird. Das bedeutet, daß dem instrumentell differenzierten Forschungsprozeß eine methodische Auseinandersetzung mit dem
    Forschungsobjekt
    vorgeschaltet werden muß, in der dieses sich als Subjekt von Selbst- und Weltdeutung darstellen kann (und zwar der Möglichkeit nach in Dimensionen, die von denjenigen abweichen, die überlieferter Forschungspraxis oder institutionellen Interessen entsprechen würden). Auch ein solcher Ansatz kommt in|a 333|dessen nicht ohne eine Dimensionierung des zu erforschenden Objekt-Feldes aus, weil anders Fragen gar nicht gestellt werden könnten. Allerdings werden diese zunächst in der allgemeinsten Form von Dingwelt, Sozialwelt und Zeitwelt (Schütz)) unterstellt, als Dimensionen also, von denen angenommen werden kann, daß sich die Erfahrungen von Subjekten notwendig in ihnen konstituieren.
[053:50] Hansen/Hill (1964) haben z. B . Familien
unter Stress
nach Maßgabe der Kriterien untersucht, die für solche Familien selbst bei der Definition dessen, was als Belastung gelten soll, leitend sind. Methodologisch handelt es sich dabei um die Herstellung von
Erlebnisrepräsentanz
: Der Gegenstand muß so definiert sein, daß er für Forscher und Erforschten in seiner Bedeutung identisch ist. Durch die zentrale Stellung der Kategorie
Situationsdefinition
, bzw. durch den Versuch einer besonders detaillierten Erfassung der Reziprozität von Perspektiven zwischen Personen auf der Beziehungsebene12
12Den wohl differenziertesten empirischen Ansatz zur Erfassung der Reziprozität von Perspektiven hat im Hinblick auf die Ehe-Dyade – Laing (1972) vorgelegt.
soll diesem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden13
13Vgl. dazu beispielsweise Stryker in: Lüschen/Lupri (1970), Weinstein in: Goslin (1969) und Brumlick (1973).
. Obwohl damit prinzipiell alle drei konstituierenden Dimensionen thematisiert sein können – besonders dadurch, daß in die Situationsdefinitionen auch Alltagswissen über Bedeutung und Bedeutsamkeit von sozialen Ereignissen eingeht – ist dort Sachwelt und Perspektivität (Zeitwelt) zugunsten der Beziehungsprobleme (Sozialwelt) vernachlässigt worden – eine Einseitigkeit, die auch im Bereich sozialpädagogischer Forschung leider naheliegt14
14Ein Indiz für diese Einseitigkeit können wir darin sehen, daß – trotz der in der Pädagogik außerordentlich intensiv und extensiv geführten Diskussion zur Curriculum-Forschung – Probleme der Lerninhalte im Bereich der Sozialpädagogik, beispielsweise im Zusammenhang mit Heimerziehung, wissenschaftlich nahezu überhaupt nicht diskutiert worden sind.
.
[053:51] Von den vier auf geführten Ansätzen stehen sich nur der funktionalistische und der lebensweltorientierte unvermittelt gegenüber15
15Vgl. dazu auch Habermas (1973).
. Betrachtet man den institutionellen Zusammenhang der Jugendhilfe, dann darf behauptet werden, daß funktionalistisch akzentuierte Forschung die im Jugendhilfe-System praktisch verfolgten Interessen als allgemeine unterstellt. Lebensweltorientierte Forschung dagegen mißtraut dieser Unterstellung; sollte sie nämlich nicht zutreffen, dann wäre jene Hypothese im Recht, in der Jugendhilfe als Kontrollsystem im Dienste auf Gewalt beruhender Normen vermutet wird und Forschungsfragen entsprechend formuliert werden. Lebensweltorientierte Forschung besteht deshalb auf der Klärung dieser Interessenfrage, und zwar dadurch, daß zunächst – und das ist mindestens eine zeitweilige Priorität – der Horizont von Orientierungen, Problemen und Interessen aufgeklärt wird, in dem die Klientel existiert.
[053:52] Ob ein funktionalistischer Forschungsansatz sinnvoll ist, kann erst nach solcher Aufklärung entschieden werden. Das ist gemeint, wenn wir oben ein
ethnomethodologisches
Verhältnis zum Gegenstand der Jugendhilfeforschung postulierten. In Ansehung von Familien, die von Jugendhilfe-Eingriffen bedroht oder betroffen sind, sind indessen die Forschungsfragen des zweiten und dritten Ansatzes in einer Zwi|a 334|schenzone angesiedelt, in der Interessen-Konstellationen häufig wenig eindeutig bestimmt werden können oder die gar im Hinblick auf diese unentschieden bleiben müssen, da sie interessenunspezifisch sind. Wie auch immer die inhaltliche Bestimmtheit der besonderen Lage einer Familie sein mag, sie existiert unter der Bedingung, daß sie der Form nach einen Systemzusammenhang von Kommuniktionselementen darstellt, deren Probleme und Störungen auch sinnvoll unter eben diesem Gesichtspunkt analysiert werden können. Eine solche Analyse erfüllt sogar eine notwendige Aufgabe, sofern angenommen werden darf, daß nicht nur die inhaltlichen Akzente der je besonderen gesellschaftlichen Lage von Familien den Kommunikationsformen erst ihre Bedeutung geben, sondern daß auch die je spezifische Form der familiären Kommunikation die Explikation von Sinn-Momenten (z. B. das Thematisieren familiärer Konflikte, von Problemen der Arbeitswelt, der familiären Rollentrennung usw.) ermöglicht oder verhindert. Die eher ätiologisch verfahrende Sozialisationsforschung erscheint in dem hier angedeuteten Problemaufriß ambivalent: wir sehen für sie nur zwei zu rechtfertigende Alternativen: entweder gewinnt sie ihre Fragestellungen aus einer Theorie des Lernens oder Verhaltens, in der begründete normative Erwartungen als einem allgemeinen Interesse zugehörig ausgewiesen werden können16
16Das scheint – wenigstens dem Anspruch nach – z. B. für die an Piaget anschließenden Untersuchungen kognitiver Schemata zuzutreffen, ebenso aber auch für die Theorie der Grundqualifikation des interpersonellen Handelns, wie sie vor allem von Krappmann (1971) erörtert wurden.
, oder sie schließt sich einem lebensweltorientierten Forschungsgang im Sinne eines zweiten Schrittes an, so daß sie ihre Ausgangsfragen aus eben jener konkreten phänomenologischen Analyse gewinnt. Nicht zu rechtfertigen scheint uns dagegen ein Vorgehen, das Allgemeinheit der in den Ausgangsfragen (z. B. nach Leistungshöhe, Sprachniveau, Aggressivität, Schulschwänzen usw.) enthaltenen Interessen unterstellt, ohne sie einer problematisierenden Erörterung zu unterziehen.
[053:53] Es ergibt sich mithin der Vorschlag einer Strukturierung von Forschungsprozessen, der auf seiten der Klienten (Familie) dem lebensweltorientierten Ansatz den Vorzug gibt, an ihn sowohl Fragen der ätiologischen Sozialisationsforschung wie der systemtheoretischen Analyse von Kommunikationen in Familien und gesellschaftlichen Subgruppen anschließt, um dann erst sich den Problemen familiärer Funktionen im gesellschaftlichen Kontext zuzuwenden. Anders auf seiten der Analyse von Institutionen: Hier wäre einer Forschungspraxis der Vorzug zu geben, die sich die
Funktionen
zum Gegenstand macht: Prozeduren der Ermittlung interventionsbedürftiger Ereignisse, die in solchen Prozeduren enthaltenen Regeln und Interessen, die Selektivität der Prozeduren, die administrative und sozialpolitische Sicherung bzw. Stützung der normativen Interessenregulierung.

15.1.5. Exkurs: Spezielle Probleme praxis-wirksamer Untersuchungsverfahren im Handlungsfeld der Jugendhilfe

[053:54] H. S. Becker (1973) hat sich mit dem Vorwurf auseinandergesetzt, ein interaktionistischer Ansatz zur Erforschung von sozialen Kontroll-Institutionen wie der Ju|a 335|gendhilfe unter dem Gesichtspunkt ihrer Problemdefinitionen und deren organisatorischer Bedingungen richte das ganze Gewicht der wissenschaftlichen Kritik gegen die Agenten (Sozialarbeiter) der Institutionen und setze diese damit einem doppelten Druck aus – dem durch die vorgesetzten Instanzen und dem durch die Wissenschaft17
17H. S. Becker, Außenseiter, Frankfurt 1973, S, 184 ff.
. Er antwortet darauf, daß dieser Vorwurf zwar im Hinblick auf die gegenwärtige Forschungspraxis zu recht bestehe, indessen aber der Forschungsansatz durchaus eine Ausweitung auf alle Ebenen eines hierarchisch gestaffelten Systems möglich mache; nicht also den Ansatz, sondern lediglich die gegenwärtig geübte Praxis der Wissenschaftler könne jener Vorwurf treffen. Diese Antwort ist gewiß zutreffend, gleichwohl erscheint sie – mindestens für den Objektbereich
Jugendhilfe
– unbefriedigend. In ihr nämlich bleibt es unproblematisch, daß die
Agenten
der Wissenschaft sich gegenüber den
Agenten
der Jugendhilfe (z. B. des Jugendamtes) als die Kritiker etablieren, zudem noch mit vergleichsweise größerem sozialem Prestige und größerer Sanktionsgewalt ausgestattet. Diesen Sachverhalt hat kürzlich J. Blandow pointiert zur Sprache gebracht:
Prekär wird es, wenn sich Sozialwissenschaftler daran machen, solche Mechanismen und Strukturen bei den Instanzen sozialer Kontrolle aufzudecken, ohne zu berücksichtigen, daß sie den gleichen Mechanismen unterliegen, und ohne den eigenen historischen und aktuellen Anlaß an dem Analysierten mit zu reflektieren. Nur zu leicht wird vergessen, daß sich die Befangenheit des Praktikers in seinem Denk-System, der Zwang zur Selbstlegitimierung, die Tendenz der Institutionen, sich nur noch selbst zu verwalten und zu versorgen, die Vereinzelung und die Identifikation der Praktiker mit der Institution, die oft genug gleichzeitig der Aggressor ist, sich mit gleicher Schärfe auch im Wissenschafts-System finden. Forschung wird dann zu diskriminierender Forschung
18
18Vgl. dazu die ebenso knappen wie treffenden Bemerkungen von
J. Blandow, Symposion
Kinderdelinquenz
– Beobachtungen und Reflexionen, in: Kriminologisches Journal, 6. Jg. 1974, S. 2.
. Um auch diesem Vorwurf zu begegnen, genügt es nicht, auf die Legitimität des wissenschaftlichen Ansatzes hinzuweisen: die Antwort muß – so scheint uns – in der Organisation des Forschungsvollzuges gesucht werden, wenn die Distanz zwischen Praktikern und Wissenschaftlern, zwischen
Handeln
und
Theorie
verringert und die Forschung nicht erst durch die Verwertung ihrer Endresultate, sondern schon durch ihren Charakter als Aufklärungsprozeß der Verbesserung der Praxis dienen soll.
[053:55] Die bisherige Jugendhilfe-Forschung ging – wir wiesen schon darauf hin – in der Regel von der Annahme aus, daß die
Klientel
von Fürsorgeinstitutionen nach einer Reihe von Verhaltens- oder Charaktermerkmalen eine vom Rest der Bevölkerung unterscheidbare Gruppe bildet. Diese Annahme legte es nahe, vornehmlich nach der Individual-Genese solcher Merkmale zu fragen. Erst neuerdings setzt sich die Einsicht durch, daß die
Klientel
von Fürsorgeinstitutionen ihr Dasein und ihre Eigenschaften einer schier unentwirrbaren Verknäuelung individueller, im Sozialisationsgeschehen erworbener Verhaltensweisen und höchst komplexer gesellschaftlicher Definitionsprozesse verdankt. Eines, aber bei weitem nicht das einzige, der |a 336|Vollzugsorgane solcher gesellschaftlichen Definitionsprozesse ist der Sozialarbeiter, wenn er in Akten direkter Kommunikation
entdeckt
, welche Art von Mensch der Klient ist, was sein
Problem
ist und wie ihm geholfen werden kann. Verstehen, was hier geschieht, hieße in einem kleinen Ausschnitt und wie unter dem Vergrößerungsglas: begreifen, wie in Akten des Urteilens, Sprechens und Handelns die bestehende Gesellschaft reproduziert wird. Es ist dieser Kommunikationszusammenhang, in dem das Urteil
vollstreckt
wird (andere Instanzen, etwa die Heime oder Gefängnisse werden es
vollziehen
) und mit dem es Jugendhilfe-Forschung vornehmlich zu tun hat.
[053:56] Nun wird man über diesen Gegenstand nichts erfahren können, wenn man ihn nicht
von innen her
sieht19
19Vgl. hierzu Cicourel, A. V.: Methode und Messung, S. 80 und Anm. 24.
. Das heißt nichts anderes, als daß die Erforschung solcher Vorgänge den Wissenschaftler zwingt, sich selbst in das Geschehen einzulassen, sich darin zu verwickeln. Nur so kann es ihm gelingen, das Geschehen, wie es sich in den Bedeutungshorizonten der
Erforschten
aufbaut, überhaupt zu erreichen. Mit solchen Erwartungen gerät man allerdings in die Nähe eines Programms, das sich derzeit unter dem Namen
Handlungsforschung
darstellt und eine Veränderung des
Subjekt-Objekt-Verhältnisses
intendiert. Ein solches Programm aber ist prekär, weil es selbst noch keine Gewähr dafür bietet, daß sich nicht unter anspruchsvollem Namen ein Rückfall in methodologische Naivität vollzieht. Die Warnung Cicourels ist angebracht:
Der Feldforscher kann nicht anfangen, ein soziales Ereignis zu beschreiben, ohne irgendeine Spezifikation seiner wissenschaftlichen Theorie, d. h. seiner Theorie der Objekte, seines Modells des Handelnden oder der Art der vorausgesetzten sozialen Ordnung … (Sonst) gibt er sich der Kritik preis, daß seine Ergebnisse nicht notwendig überhaupt verschieden sind von jenen eines Laienspielers in der Gesellschaft. Die Aussage, man wolle den Standpunkt des Handelnden in Betracht ziehen, … bedeutet nicht, daß die Evidenzregeln des Handelnden angewandt werden sollen
20
20Cicourel, A. V.: Methode und Messung, a. a. O., S. 80.
.
[053:57] Den Gegenstand
von innen her
sehen,
sich einlassen
in das praktische Geschehen der Tätigkeit von Sozialarbeitern darf also nicht heißen, die Differenz von Handeln und Theorie zu liquidieren, zwischen Praktikern und Forschern einen
Scheinkonsens
zu etablieren. Scheinkonsens auf dem Terrain des Forschers heißt: das Vorverständnis des Forschers vom Untersuchungsfeld wiederholt sich lediglich in den Handlungsorientierungen des Praktikers. Dieser wird dann, je nach der wissenschaftlichen und/oder politischen Herkunft seines wissenschaftlichen Tutors oder der Forschergruppe, das Verhalten der Klienten als
Produkt der repressiven Gewalt des Systems
, als
Reaktionsbildung auf verdrängteTriebwünsche
, als
schichtspezifische Abweichung vom mittelschichtkontrollierten Normenkodex
, als Ergebnis der Übernahme
zugeschriebener Sündenbockrollen
oder dgl. bezeichnen können, ohne deshalb allerdings die Praxis seines eigenen Handelns besser zu verstehen.
[053:58] Scheinkonsens auf dem Terrain des Erforschten heißt: Der Forscher gibt sein kognitives Interesse auf und übernimmt das schon zuvor vorhandene Verständnis des |a 337|Praktikers von seiner Praxis als die leitende Orientierung seiner
Forschungstätigkeit
. Die wissenschaftliche Aufgabe der
Verdeutlichung und Explizierung
des
im täglichen Leben über die Sozialwelt Geurteilten und Vermeinten
21
21Schütz, A.: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Wien, 2. Aufl. 1969, S. 254.
hätte er auf diese Weise verfehlt – und damit eventuell zugleich eine Chance, Selbstverständlichkeiten der Routine-Praxis durch – bildlich gesprochen – perspektivische Erweiterung in der historischen, systemfunktionalen, politisch-konkreten und persönlich-biographischen Dimension zu erschüttern.
[053:59] Diese Fallstricke der sozialpädagogischen
Handlungsforschung
können nicht dadurch umgangen werden, daß man sich gar nicht erst auf eine Gemeinschaft mit dem Forschungsobjekt einläßt und also dem Feld jeden Einfluß auf die Forschungstätigkeit verweigert. Jeder
Datensammler
, ob Interviewer, Beobachter, Teilnehmer oder Tester, ist zwangsläufig ein Teil des untersuchten Handlungsfeldes. Als solcher, nämlich als ein Teilnehmer in einem Interaktionsmuster mit einem der Handelnden, kann er niemals die soziale Szene betreten, ohne zumindest zeitweilig seine wissenschaftliche Stellung aufzugeben22
22Schütz, A.: Common-Sense and Scientific Interpretation of Human Action, in: Philosophy and Phenomenological Research, 14 (1953), S. 31. Zitiert nach Cicourel, A. Methode und Messung, a. a. O., S. 79.
. Wird der Forschungsvollzug also als eine Interaktion zwischen Forscher und Sozialarbeiter aufgefaßt, dann wird nicht nur diese Interaktion zu einer wichtigen Datenquelle23
23Cicourel, A. V.: Methode und Messung, a. a. O., S. 83.
, sondern sie muß auch für die Theoriebildung berücksichtigt werden.
[053:60] Was aber kann das heißen? Nach Cicourel muß
der Beobachter als Teil des Aktionsfeldes irgendein Modell des Handelnden haben, das die Bedeutungsstrukturen des Handelnden als Teil seiner Theorie der sozialen Ordnung enthält
24
24ebd., S. 79.
. Bei G. Devereux heißt es:
Eine Verhaltenstheorie, die nicht auch das Verhalten des Beobachters selbst in den Begriffen dieser Theorie erklären kann, … (ist) segmentär, inkonsistent und hebt sich selbst auf
25
25Devereux, G.: Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften. München o. J. (1973), S. 36.
. Auf unseren Fall übertragen bedeutet das, daß die wissenschaftlichen Konstrukte, die zur Erklärung der Verhaltensweisen der Sozialarbeiter und Klienten, ihrer Deutungsschemata und Urteilsvollzüge gebildet werden, zugleich auch die Verhaltensweisen des wissenschaftlichen Beobachters, seine Deutungsschemata und Urteilsvollzüge mitenthalten müssen. Der Wissenschaftler wird sich, indem er in eine Gemeinschaft mit dem Objekt seines Interesses eintritt, selbst zum Thema, zum theoretischen Problem. Die Konstrukte von Alltags-Wissen, die er verwendet, um sich mit dem anderen überhaupt verständigen zu können, werden in ihrem Verhältnis zum theoretischen Konstrukt (das auf jenen basiert) problematisiert. Es werden so die Voraussetzungen geschaffen, die Forschungserfahrungen – die ja Erfahrungen von Menschen miteinander sind, Alltagserfahrungen also – mit den theoretischen Vorstellungen kommensurabel zu machen. Die Theorie könnte tendenziell aufhören, dem Erfahrungszusammenhang gegenüber äußerlich zu bleiben.
|a 338|
[053:61] All diese Feststellungen bleiben freilich noch allzu unbestimmt. Die bisherige Jugendhilfeforschung hat wenig dazu beigetragen, dasjenige theoretische Denken zu entwickeln, das imstande wäre, mit den im Forschungsprozeß aufgebauten interpersonellen Erfahrungen umzugehen. Dieser Vorwurf trifft auch den größten Teil dessen, was gegenwärtig als
Handlungsforschung
sich versteht. Noch jedenfalls wird kaum dem Sinnzusammenhang, in dem sich für jeden einzelnen und für die gesellschaftlichen Gruppen (Sozialarbeitern und Klienten) die je eigene Praxis konstituiert, in dem sie ihre Urteile und Handlungen vollziehen, ein Ort im Prozeß der Herausbildung der Theorie zugewiesen.
[053:62] Damit kann auch der Forscher aus den Interaktionen mit seinen
Objekten
nicht eigentlich lernen, sondern nur fortfahren, in den Erscheinungen der Jugendhilfe-Wirklichkeit die Zeichen für die Richtigkeit der eigenen Konstruktionen zu erblikken.
[053:63] Das Interesse an der Erforschung komplexer Zusammenhänge der Jugendhilfepraxis, das durchaus in die hier skizzierte Richtung zu weisen scheint, hat dazu geführt, das
interdisziplinäre Team
als die gegenwärtig geeigneteste Arbeitsform zu favorisieren. Ihre Realisierung ist allerdings mit beträchtlichen Schwierigkeiten verbunden, da der in der Ausbildung sozialisierte Habitus des Wissenschaftlers der dafür nötigen Bereitschaft und Fähigkeit zu kommunikativer Offenheit enge Grenzen setzt. Konflikte, die durch den Aufeinanderprall verschiedener theoretischer Konzepte und Verfahrensmodelle entstehen, werden daher häufig in einer Weise bereinigt, die die intendierte Interdisziplinarität mit ihren bedrohlichen Folgen für das wissenschaftliche Selbstverständnis gleich im Keime erstickt. Eine Variante der Konfliktlösung – üblich in Gruppen mit statusgleichen Mitgliedern – besteht darin, jedem einzelnen die Kompetenz zur Untersuchung eines Teilaspektes des Feldes unbestritten zuzugestehen: Der
Gegenstand
wird also entsprechend den vertretenen Disziplinen aufgespalten. Das Ergebnis wird ein Nebeneinander von Einzeluntersuchungen sein, die womöglich durch ein gemeinsames Vorwort zusammengehalten werden. Eine andere Variante der Konfliktbereinigung scheint in autoritär geleiteten bzw. hierarchisch strukturierten Gruppen vorzuherrschen: Ein theoretisches Konzept wird als
gültig
oder verpflichtend gesetzt, dem sich alle anderen anzubequemen haben. Darüber hinaus erlaubt eine nach dem
szientistischen Paradigma
vorgehende Forschung dem Wissenschaftler, mit einem fertigen theoretischen Konzept und einem starren Verfahrensmodell (Design) an den Gegenstand heranzutreten. Es gilt als legitim, unabhängig von jeder Erfahrung mit dem
Objekt
ein Modell des Feldes zu konstruieren, in dem die relevanten Variablen und Variablenkomplexe, die Art und Richtung der Abhängigkeiten zwischen ihnen und die als konstant angenommenen Randbedingungen bindend definiert sind. Diese im Design fixierte weitgehende Reduktion der Komplexität des Feldes gestattet es, innerhalb eines detaillistisch definierten Rahmens nach Beziehungen zwischen Variablen zu forschen. Nur in dieser Erhebungsphase hat das
Forschungsobjekt
überhaupt eine Funktion, und zwar als Daten-Pool, dem die Fähigkeit zu eigenständigen Strukturierungsleistungen nicht zuerkannt wird. Die Transponierung der Daten in das zuvor konstruierte Modell fällt dann wieder ganz in das Ressort des Forschers.
|a 339|
[053:64] Ein Zwang zur Auseinandersetzung mit dem
Forschungsobjekt
besteht mithin nicht; eher ist das Gegenteil der Fall: Durch methodische Arrangements wird die Distanz zum Gegenstand künstlich vergrößert, damit
störende
Überschneidungen zwischen Beobachter und Beobachtetem, mit ihren
Gefahren
der Gegenbeobachtung, gar nicht erst aufkommen können26
26Auf die zentrale Bedeutung des im Verlauf der Erziehungs- und Bildungsprozesse hervorgebrachten Habitus für die Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse haben Bourdieu und J. C. Passeron aufmerksam gemacht. Vgl. Dieselben, La Reproduction – Éleménts pour une théorie du système d'enseignement, Paris 1970, S. 46 ff.
. Wir kommen darauf noch zurück. Hier gilt es lediglich festzuhalten, daß das technologische Forschungsvorgehen den Wissenschaftler vor Felderfahrungen, die sein theoretisches Modell tangieren könnten, ebenso wirkungsvoll schützt, wie ihn die übliche Respektierung der jeweiligen disziplingebundenen Kompetenz durch Vertreter anderer Disziplinen die Konfrontation seiner theoretischen Vorstellungen mit dem Erfahrungszusammenhang, in dem sie entstanden sind, erspart. Damit ist er nach den beiden Richtungen, in denen kommunikative Prozesse während des Forschens ablaufen, gegen beunruhigendes, da qualitativ neues, Lernen abgeschirmt.
[053:65] Gerade in der Initiierung solchen qualitativ neuen Lernens liegen umgekehrt die Chancen echter Interdisziplinarität. Wenn nämlich die Mitglieder eines interdisziplinären Teams der Auseinandersetzung nicht ausweichen, kann es geschehen, daß die Relevanz-Zuversicht in die je eigenen Konzepte zusammenbricht und diese sich als das enthüllen, was sie sind: an den je anderen Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund gebundene (und darin verschiedene) und in einem bestimmten Arbeits- und Interessenzusammenhang formulierte (und darin gleiche) Relevanzsysteme, die als kognitive Schemata der Selektion und Interpretation dienen. Die durch solche Einsicht beförderte Offenlegung der eigenen Denkvoraussetzungen ist nicht nur für die Konsensbildung im Team erheblich; sie eröffnet zudem die Chance, daß die Erforschten aus dem ihnen zugeschriebenen Objektcharakter heraus in den Sinnhorizont des Forschers eintreten können als menschliche Wesen, die entsprechend ihrem anderen Erfahrungshintergrund und Arbeitszusammenhang mit andersartigen Relevanzsystemen operieren. So betrachtet, erweist sich die Arbeitsform des interdisziplinären Teams als didaktisches Arrangement, in dem sich ein neues Verhältnis zum Gegenstand entwickeln läßt.
[053:66] Die Gruppe kann außerdem helfen, die durch die Auseinandersetzung mit dem Feld erzeugten Ängste der Forscher aufzuarbeiten und das erschütterte Selbstbild auf einer neuen Ebene wieder aufzubauen. Auf den ängstigenden Charakter der Felderfahrung, der – der Probleme des Objektbereiches wegen – in der Jugendhilfeforschung offen thematisiert werden sollte, und die Möglichkeit, Bezugsrahmen, Methoden und Verfahrensweisen als
professionelle Abwehrstrategien
zu gebrauchen, hat vor allem G. Devereux verwiesen: Durch verschiedene Variationen der
Isolierungs-Strategie
könne angsterregendes Material
entgiftet
werden,
indem sie es verdrängt oder seinen affektiven Inhalt und seine humane und persönliche Relevanz leugnet
27
27G. Devereux, Angst und Methode, a. a. O., passim.
. Tatsächlich kann bereits der Versuch, das in |a 340|gewisser Weise kulturell stabilisierte Rollenmuster Forscher-Forschungsobjekt zu modifizieren, als gefährliches Abenteuer erlebt werden. Das Muster garantiert ja durch seinen Inhalt an routinierten Erwartungshaltungen und ihnen gemäßen Verhaltensweisen (Vorgehensweisen im Feld) eine psychisch relativ einfache, weil quasi-dingliche Beziehungseinstellung und entlastet sehr wirkungsvoll von den Ängsten und ideosynkratischen Haltungen, die bei der Forderung nach
echter
Kommunikation unweigerlich mobilisiert werden. Das Abenteuer ohne Zusammenbruch oder Regression in den sicheren Bezirk starrer Verfahrensmodelle durchzustehen, kann durch eine dicht kommunizierende Gruppe sehr erleichtert werden.
[053:67] Ein anderer Aspekt der Forschungsorganisation betrifft die Formen, in denen die Kommunikationen zwischen Forscher und seinem Gegenstand entwickelt werden. Diese Formen können nicht vom Forscher einseitig bestimmt werden, sondern sind abhängig von den Bereitschaften und institutionellen Gegebenheiten im Praxisbereich. Die Neigung vieler Gruppen, die Formen von
Handlungsforschung
zu entwickeln versuchen, diese Gegebenheiten dadurch zu entkräften, daß sie vorzugsweise mit bestimmten, ihren Vorstellungen gegenüber offenen Praktikern und in neuen, meist erst selbst geschaffenen institutionellen Zusammenhängen (Modelleinrichtungen u. ä.) arbeiten, hat dazu beigetragen, daß die Schwierigkeiten, Forschung in die Praxisfelder einzubauen, noch nicht gesehen worden sind. Es wird eine wichtige Aufgabe sein, Erfahrungen zu sammeln und ein theoretisches Verständnis dafür zu gewinnen, welche kommunikativen Chancen in den untersuchten Feldern vorhanden sind oder geschaffen werden können. Zugleich wird das zur Beantwortung der Frage beitragen, wie sich Forschungseinsichten innerhalb der gegebenen institutionellen Zusammenhänge fortpflanzen lassen.
[053:68] Diese Frage kann hier nicht geklärt werden; doch läßt sich an einem Beispiel vielleicht die Richtung, in der eine Bearbeitung denkbar wäre, andeuten. Als Beispiel nehmen wir aus dem Interaktionsgeflecht eines untersuchten Jugendamtes die beiden dyadisch gedachten Verhältnisse Forscher-Sozialarbeiter (F-S) und Sozialarbeiter-Klient (Sʼ-K) heraus. Ein Vergleich zeigt, daß diese Dyaden in mancher Hinsicht Ähnlichkeiten auf weisen: Jeweils ein Teil (F, Sʼ) versucht, die Konsistenz des Praxiszusammenhanges des anderen Teils (S, K) aufzulösen, und zwar mit Hilfe von dieser Praxis fremden Deutungen und Eingriffen; um damit Erfolg zu haben, ist der eine auf die Kooperationsbereitschaft des anderen Teils angewiesen; erhoffen kann er diese Kooperationsbereitschaft dann, wenn der andere sich in einem akuten Krisenzustand befindet; in beiden Dyaden existiert ein starkes Gefälle im Intimitätsgrad des Mitgeteilten und Wahrgenommenen; entsprechend hat auch nur der je andere (S, K) Angst vor der folgenreichen Kritik des einen (F, Sʼ). Diese Analogie setzt sich fort in den typischen Verfügungshandlungen, mit denen der jeweils überlegene Teil (F, S.’) seine Position ausnutzt: Die Wissenschaftler neigen dazu, den Sozialarbeitern ihre Praxis, die diese selbst als eine Verkettung von Sachzwängen mit nur geringem persönlichen Spielraum erleben, in
wissenschaftlicher Kritik
zum Vorwurf zu machen, und verstärken damit die ohnehin schon vorhandene Tendenz der Sozialarbeiter zur Ausbildung eines überaus anspruchsvollen
Über-Ichs
. Ganz ähnlich verfahren die Sozialarbeiter, wenn sie in Verkennung der
Logik
der |a 341|Klientenwirklichkeit, die Klienten durch Vorhaltungen, gute Ratschläge und Drohungen zu einer Verhaltensänderung bewegen wollen
[053:69] Diese Ähnlichkeiten zwischen den Verhältnissen Forscher-Sozialarbeiter und Sozialarbeiter-Klient scheinen darauf hinzuweisen, daß der Ansatzpunkt für den Aufbau eines kommunikativen Feldes durch den Forscher besser in der Aufklärung seines wechselseitigen Verhältnisses zum Sozialarbeiter als zu den Betroffenen der Sozialarbeit gewählt wird. Unter Ausnutzung der institutionell gegebenen Spielräume müßte diese Aufklärung so organisiert werden, daß der Forscher allmählich seine Definitionsleistungen als eine Form von Verfügungshandeln durchschaut, und daß der Sozialarbeiter in seiner erlittenen Demütigung das gerade Gegenstück – unter umgekehrten Rollenvorzeichen – seines Verhaltens gegenüber dem Klienten erkennt. Das hätte zwei Vorteile: Zum einen würde einer Konfundierung von Forscher- und Sozialarbeiterrolle vorgebeugt; sie droht nämlich sehr stark dann, wenn der Forscher unvermittelt in einen Kommunikationsprozeß mit den Klienten eintritt und dabei nicht bemerkt, daß er sich an die Stelle des Sozialarbeiters setzt (und in diesem Akt den Berufsstand der Sozialarbeiter symbolisch, aber nicht faktisch eliminiert). Eine solche Konfundierung liegt vermutlich auch in all den Fällen vor, in denen Wissenschaftler – als scheinbare Interessenvertreter der Klienten – den Sozialarbeitern eine andere Praxis vorschreiben möchten. Zum anderen – und das wäre der zweite mögliche Vorteil – bliebe das Lernen des Sozialarbeiters nicht an den kommunikativen Zusammenhang mit dem Forscher gebunden, sondern reichte immer schon in sein Verhältnis zum Klienten hinein. Der Lernprozeß wäre deshalb auch nicht bei Abschluß des Forschungsunternehmens abgeschnitten, sondern könnte in der Erfahrung des Umgangs mit den Klienten ständig vertieft werden. Innovation bliebe nicht, wie in der Aktionsforschung häufig, an die Aktivitäten des Forschers gebunden (diese würden allmählich entbehrlich).

15.1.6. Zusammenfassende Vorschläge

[053:70] Unter solchen Gesichtspunkten erscheinen folgende Akzente in der Familien- und Jugendforschung begründet:
  1. 1.
    [053:71] Analyse der Wohnquartier-bezogenen Lagen von Familien unter der Bedingung von Problemsituationen.
  2. 2.
    [053:72] Biographisch orientierte Längsschnittuntersuchungen
    auffällig
    gewordener Familien und Familien-Gruppen.
  3. 3.
    [053:73] Qualitative Fallanalysen von Familien ausgewählter Problemgruppen, besonders unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Bestimmtheit ihres
    Alltagswissens
    , ihrer Situations- und Problemdefinitionen.
  4. 4.
    [053:74] Fallanalysen von Jugendämtern in Bezug auf das spezifische Klientel, Organisationsstruktur und Selektivität.
  5. 5.
    [053:75] Untersuchungen des Feldes praktischer Interaktion zwischen Jugendamt und Klientel: die Interventionspraxis von Sozialarbeitern, ihre Interaktionsregeln und -taktiken und deren Wahrnehmung durch die Klienten.
|a 342|
[053:76] Bei der Realisierung solcher forschungsthematischer Vorschläge sind jedoch einige Eigentümlichkeiten im institutionellen Feld der Jugendhilfe zu berücksichtigen:
  • [053:77] Wegen der Diskontinuität von Maßnahmen und Organisationsstrukturen können heute vom Jugendhilfesystem Forschungsresultate nur schwer sinnvoll und produktiv verarbeitet werden. Daraus folgt, daß Jugendhilfe-Forschung besonders bei der Herstellung von Kontinuität zwischen den verschiedenen Jugendhilfe-Bereichen mitzuwirken hätte und unter diesem Gesichtspunkt die Analyse der Institutionen, der Hierarchisierung der Maßnahmen und Einrichtungen und der Regeln, denen sie unausgesprochen folgen, zu betreiben hätte.
  • [053:78] Eine Änderung der Ausbildungswege für Mitarbeiter in der Jugendhilfe ist vermutlich für das kommende Jahrzehnt erst in Ansätzen zu erwarten. Daraus folgt, daß die Jugendhilfe-Forschung nicht nur
    arbeitsplatznah
    , sondern auch fortbildungs- und beratungsbezogen sein sollte.
  • [053:79] Die normative Orientierung der Praxis folgt in der Regel nach traditionell eingespielten Common-Sense-Standards. Daraus folgt, daß die Jugendhilfe-Forschung Wirkungskriterien allererst entwickeln müßte.
  • [053:80] Die gegenwärtige Situation ist dadurch charakterisiert, daß quantitativ relevante Veränderungsimpulse eher von den Landesbehörden und Großstadt-Kommunen, als von den privaten und kleineren kommunalen Trägern ausgehen. Daraus folgt, daß die Jugendhilfe-Forschung vorerst in Kooperation mit den parlamentarisch kontrollierten Administrationen durchgeführt werden sollte.
[053:81] In diesen Kriterien sind Konsequenzen für die Institutionalisierung der Jugendhilfe-Forschung schon angedeutet. Für ihre Konkretisierung ist folgendes zu erwägen:
[053:82] Jugendhilfe-Forschung sollte – was sich für die anderen Bereiche der Bildungsforschung weniger empfiehlt – an die Landesbehörden (Landesjugendämter) in einem kooperativen Verhältnis angebunden werden. Die damit verbundenen Vorzüge größerer Praxiswirksamkeit sind gegenwärtig vermutlich gewichtiger als die Nachteile einer administrativ-zentralistischen Orientierung. Die Jugendhilfe-Forschung sollte ferner in Form von Forschungsgruppen geschehen, die sich auf bestimmte Regionen innerhalb eines Bundeslandes erstrecken und dort zugleich auch Fortbildungsfunktionen übernehmen. Das setzt enge Kooperation mit örtlichen Jugendämtern und Institutionen voraus und erfordert die Wahl von Forschungsgegenständen, deren Definition ausdrücklich der komplexen Struktur des Handlungsfeldes
Jugendhilfe
folgt. Sollen schließlich einerseits die Fragestellungen der Praxis ermittelt und in die Forschungsprozesse aufgenommen, andererseits auch diese Fragestellungen kontrolliert und korrigiert, die Praxis also im Hinblick auf die möglichen Dimensionen ihrer Veränderung beraten werden, muß das Verhältnis von Forschung und Praxis, von Wissenschaftlern und Praktikern im Sinne einer Konsultations-Beziehung institutionalisiert werden. Daß – jedenfalls bisher noch – das Vertrauen der
Praktiker
in den Wert sozialwissenschaftlicher
Theorie
gering ist, liegt nicht zuletzt daran, daß von seiten der Wissenschaft aus diesem Problem kaum forschungspraktische Konsequenzen gezogen wurden. Nicht zuletzt wäre deshalb Aufgabe der Jugendhilfe-Forschung, dieses Vertrauen allererst herzustellen.
|a 343|

15.1.7. Literatur

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    der dt. Ges. für Soziologie. Unveröff. Ms., 1. Fassung 1973.
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